Der Haken mit dem rechten Haken… – Braunzone Kampfsport?!

Am Samstag, dem 2. Februar 2019 findet am Schwarzlsee in Premstätten bei Graz erneut eines der größten Kampfsportevents Österreichs statt. Ein „Megaspektakel“ soll laut den Veranstaltern, den Brüdern Gerhard und Michael Ettl, die neunte Auflage ihrer 2007 initiierten „Cage Fight Series“ werden. Blicken wir jedoch auf das Umfeld beteiligter Athleten, so stechen Nahverhältnisse zur Neonazi-Hooliganszene ins Auge. Mehr noch: Ein zentraler Akteur dieser Braunzone hat seine Anwesenheit in Graz angekündigt.

Neonazi-Hooligan-Verstrickungen bei Grazer „Cage Fight“

Fightcard von Niklas Stolze und Christian Draxler

Dass sich beim Sport die Geister scheiden, ist allgemein bekannt. Ebenso überrascht es kaum, dass die Meinungen zu Freefight-Events angesichts des martialischen, oft blutigen Charakters besonders weit auseinandergehen. Aus antifaschistischer Perspektive gilt es solche Veranstaltungen spätestens dann zu kritisieren, wenn die Einladungs- und Kooperationspolitik rechtsextreme Verstrickungen ignoriert oder Neonazis als selbstverständlicher und akzeptierter Teil der Kampfsportszene hofiert.

Nicht aus sportlicher, sondern aus politischer Perspektive interessiert uns daher der angekündigte Kampf des österreichischen MMA1-Leichtgewicht Champions Christian Draxler gegen den deutschen Niklas Stolze, der für den Club „La Onda“ in den Käfig steigt. Von besonderem Interesse ist dabei die angekündigte2 Begleitung Stolzes: Benjamin Brinsa, ein langjähriges Bindeglied des sich professionalisierendem MMA-Sports und der neonazistischen Hooligan-Szene in Ostdeutschland. Als solcher genießt er regelmäßiges antifaschistisches und mediales Interesse, so dass wir einige Hintergrundberichte zusammenfassen wollen:

Stolzes Mentor: Benjamin “The Hooligan” Brinsa

Stolze und Brinsa, welcher nach gemeinsamen Training sein Erscheinen Graz ankündigt.

Seit über einem Jahrzehnt ist Benjamin Brinsa, dessen Meldeadresse zeitweise mit jener des Leipziger NPD-Büros ident war,3 in der rechtsextremen Hooligan-Szene aktiv: Ein Foto vom 3.10.2006 zeigt Brinsa bei einer Neonazi-Demonstration in Leipzig, ein weiteres Foto aus dem August 2008 gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der rechten Hooligantruppe “Scenario Lok” vor einem Transparent mit der Aufschrift “Ultras LoK – Nationaler Widerstand”.4 Zwei weitere Jahre später, 2010, registriert Brinsa gemeinsam mit Thomas Persdorf (damaliger Geschäftsführer des Neonazi-Versandhandels „Front-Records“) die „A&B Service UG“, die zeitweise im Impressum der „Aryan Brotherhood Germany“-Website aufschien.5 Auch 2015 erweist sich das Netzwerk als intakt: Brinsa verkauft seine Geschäftsanteile an der Modemarke „Streetwar“ – lässt jedoch im Verborgenen, wer der oder die Käufer*in ist. Einen Hinweis liefert dazu jedoch der „Patriotenversand“ der Persdorf-Vertrauten Anita Dögnitz (ehem. Gesellschafterin der „Front Records“-Betreiberfirma), welcher seither auf dem streetwar.eu-server liegt.6

Aufgrund seiner rechtsextremen Verstrickungen wurde Brinsa, mit Kampfnamen „The Hooligan“, bereits von mehreren Kampfsport-Veranstaltungen ausgeladen. Der kurzfristige Ausschluss aus der größten deutschen MMA-Veranstaltung „Respect.FC“ erfolgte 2013 ebenso wie ein weiterer massiver Einschnitt in Brinsas Karriere: Der Vertrag mit dem Ultimate Fighting Championship (UFC), dem Weltmarktführer von MMA-Veranstaltungen, wurde noch vor seinem ersten UFC-Kampf wieder aufgelöst.7 Einschlägigen, wenngleich relativ kurzlebigen, Erfolg verbuchen hingegen die von Brinsa mitorganisierten Kampfsport-Veranstaltungen  „Sachsen Kämpft“, welche 2012 und 2013 gar Erwähnungen im sächsischen Verfassungsschutzbericht fanden.8

Eine solche vorbildlich kritische Distanz, wie sie jene erwähnten Veranstalter*innen zeigten, lässt der „La Onda“-Gym, für den Stolze in Graz antritt, vermissen. Vielmehr wurde Brinsa im Oktober 2014, d.h. nach der öffentlichen Thematisierung seiner rechtsextremer Aktivitäten, als Trainer die dortige MMA-Abteilung übergben.9 Auch Stolze persönlich steht deutlich hinter Brinsa: Am 22.1.2018 verlautbart er in einem Instagram-Posting, dass er in Brinsa gar eine „Ikone“ sehe, welche ihn „seit Beginn [s]einer Karriere unterstützt […] und hilft wo er kann“. Eine (mögliche) Form der Unterstützung liegt dabei in Brinsas „Imperium Fight“-Strukturen.

“Imperium Fighting”: Kampfsport oder Straßenkampf?

Als inoffizieller Nachfolger von „Sachsen Kämpft“ kann die in Personalunion organisierte “Imperium Fighting Championship”-Reihe bezeichnet werden. Brinsa tritt dabei nicht nur als Mitveranstalter, sondern ebenso als Trainer des „Imperium Fight Teams“ (IFT) in Erscheinung. Wie der MMA-Kämpfer Stolze selbst in einem Interview angab, stehe auch er im „Kontakt zum Imperium Fight Team – da stehen mir viele Optionen offen“10 Dies ist insofern interessant, da gerade beim IFT zunehmend die Grenzen verschwimmen, ob das Trainingsziel im sportlichen Kräftemessen oder im Straßenkampf militanter Neonazi-Hooligans liegt:

Als im Januar 2016 über 250 Personen aus der Neonazi- und rechten Hooliganszene den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz attackierten, konnten z.B. unter den Angreifern mehrere IFT-Mitglieder identifiziert werden. Brinsa soll gesehen worden sein, als er nach dem Angriff mit einem PKW versuchte, versprengte Kameraden einzusammeln.11
Am 25. September 2016 wurde Brinsa gemeinsam mit weiteren LoK-Leipzig Hooligans, einige davon zudem IFT-„Athleten“, im Vorfeld eines Angriffs auf eine antirassistische Ultra-Gruppe fotografiert. Ebenfalls Teil der Gruppe war u.A. der bekannte Neonazi Riccardo Sturm, der 2011 (damals gemeinsam mit Gottfried Küssel) sowie 2017 zum Ulrichsbergtreffen anreiste.12
Auch bei den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz am 27.8.2018 beteiligten sich  Teile der IFT-Strukturen, wobei auch Brinsa höchstpersönlich anwesend war.13 Noch am Tag zuvor mobilisierte er via Twitter: „Wenn der Staat nur noch zuschaut müssen wir uns selbst der Sache annehmen! Auf die Straße!14

Angriffe auf Journalist*innen

Eine Gruppe Neonazi-Hooligans beim Angriff auf Journalist*innen in Wurzen. Linker Bildrand: mutmaßlich Benjamin Brinsa, 2.v.r. Lukas Barthold (IFT). Bildquelle: Sören Kohlhuber, eigene Bearbeitung

Mit entsprechenden Aufrufen zu Selbstjustiz hat Brinsa Erfahrung. Im März 2015 postete er via Facebook einen Aufruf zur „Mithilfe bei der Selbstjustiz“ sowie ein gefälschtes Fahndungsfoto eines vermeintlichen Sexualstraftäters. Doch auf dem Steckbrief mit Foto und Namen abgelichtet war kein Straftäter, sondern ein Lokaljournalist, der über Brinsas rechtsextreme Verstrickungen berichtet hatte. Wie sich später im Prozess gegen Brinsa zeigte, war der Hooligan nicht nur an der Verbreitung des Sujets, sondern auch an der Erstellung maßgeblich beteiligt: in einer Chatgruppe, in der auch Brinsas oben erwähnter Geschäftspartner Thomas Persdorf und der Landesvorsitzende der sächsischen NPD-Jugendorganisation, Paul Rzehaczek, aktiv waren. Ein Ermittlungsdetail am Rande: Brinsas Telefon ließ sich mit der PIN “1488” entsperren – einer bei Neonazis beliebten Grußformel, zusammengesetzt aus dem Glaubenssatz der „Fourteen-Words“15 und dem Zahlenkürzel für “Heil Hitler”.

Der letzte bekannte Angriff auf Journalist*innen erfolgte am 20. Januar 2018 und war wesentlich unmittelbarer. Fotograf*innen, die eine Demonstration gegen rechte Gewalt begleiteten, wurden in Wurzen mit eben jener konfrontiert: nämlich durch eine Gruppe von teilweise vermummten Personen, die mit Messern, Baseballschlägern, Teleskopschlagstock und Reizgas bewaffnet die Konfrontation suchten.16 Unter den Angreifern konnte Lukas Barthold aus dem „Imperium Fight Team“ identifiziert werden. Ebenfalls mutmaßlich beteiligt: Benjamin Brinsa, der mit einem mit einem Messer einen Kehlenschnitt gegenüber einem Journalisten gestikulierte.17


Christian Draxler – Keine Kontaktängste gegenüber Neonazi-Hooligans?

Draxler (re) neben einem Mann mit “Unsterblich” T-Shirt samt SS-Totenkopf

Der Österreicher Christian Draxler, der am 2.2.2019 gegen Stolze in den Käfig steigt, ist bislang kaum politisch aufgefallen. Jedoch legt ein recht neues Foto die Vermutung nahe, dass auch ihm eine kritische Distanz zu Neonazi-Hooligans fremd ist. So ließ sich Draxler erst Ende Dezember 2018 nach einem Kampf fotografieren: Arm in Arm mit zwei Männern, wovon einer den Schriftzug „Unsterblich Krawallerie“ auf seinem T-Shirt trägt. Das Foto entstand auch nicht irgendwo, sondern im Ring bzw. Käfig, was ein Nahverhältnis der beteiligten Personen vermuten lässt.
Die Wiener Hooligangruppe “Unsterblich”, vor der das T-Shirt stammt, ist durch ihre militanten Angriffe, der neonazistischen Symbolik und einschlägiger Kontakte – u.a. zu ehem. VAPO und Blood&Honour-Strukturen – seit längerem auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.18 Selbst wenn Draxler die Gruppe „Unsterblich“, als wohl bekannteste Wiener Neonazi-Hooligangruppe kein Begriff sein sollte – der SS-Totenkopf zwischen den Schriftzügen ist als NS-Apologetisches Symbol nicht übersehen – auch trotz der „Vermummung“ als leichte Abänderung.


Handshake“ mit Neonazis und Co. – ein Bärendienst der Toleranz

Seit vielen Jahren ist eine Affinität von rechtsextremen bis neonazistischen Akteuren zu beobachten, der oft im (Körper)Kult um Härte und Stärke, Wehrhaftigkeit und Hypermaskulinität begründet liegt. Wie in unserem letzten Beitrag bereits erwähnt, entwickeln sich derzeit mit dem „Kampf der Nibelungen“ und co. eine Professionalisierung von Kampfsportstrukturen, die exklusiv der rechten Szene vorbehalten sind und auch von österreichischen Akteuren in Anspruch genommen werden. Diese Entwicklung solch einschlägiger Events darf jedoch keineswegs zu einer Blindheit gegenüber rechtsextremen Akteur*innen im allgemeinen Kampfsport führen: Viel zu oft wird das Vorzeichen des „toleranten“, „unpolititischen“ Sports als Vorwand genutzt, rechtsextreme bis neonazistische Verstrickungen nicht zu problematisieren, sondern zur Privatangelegenheit der Kämpfer*innen zu verklären. Was damit einhergeht, ist jedoch ein Beitrag der Normalisierung extrem rechter Akteur*innen, eine Förderung ihrer Kampferfahrung und zugleich Absicherung ihres sozialen Wirkungsraums. Für Rechtsextreme, Neonazis und ihre Strukuren kann es im Kampfsport daher nur eine Antwort geben:

(Wir möchten an dieser Stelle auf die gleichnamige Kampagne zur Aufklärung über Neonazis im Kampfsport verweisen: https://runtervondermatte.noblogs.org)


Quellen und Verweise:

1 MMA ist die Kurzform für Mixed Martial Arts, d.h. einem Vollkontakt-Kampfsport in dem Schlag-, Tritt-, Bodenkampf und Ringtechniken verschiedener Kampfsportarten miteinander kombiniert werden.
2 Vgl. FB-Posting von Benjamin Brinsa am 22.01.2019 um 11:22
3 Vgl. Antifa in Leipzig: Das Imperium kehrt zurück [02.02.2019]
4 Vgl. Hosen-Runter: Neonazis bei Hallenser „Fight-Night“ [02.02.2019]
5 Vgl. Webarchiv von aryan-brotherhood.de [02.02.2019] ; AIB 97 (4.2012): Rechter MMA-Kämpfer auf Erfolgskurs.[02.02.2019]
6 Vgl. Antifa in Leipzig: Das Imperium kehrt zurück [02.02.2019]
7 Vgl. Bloodyelbow: UFC signing of alleged neo-Nazi fighter Benjamin Brinsa creates controversy [02.02.2019] und AIB 97 (4.2012): Rechter MMA-Kämpfer auf Erfolgskurs [02.02.2019]
8 Vgl. Antifa in Leipzig: Das Imperium kehrt zurück [02.02.2019]
9 Vgl. Recherche Magedburg: „La Onda“ Magdeburg: Neonazis willkommen. [02.02.2019]
10 http://german-mma.de: Interview mit Niklas Stolze [02.02.2019]
11 Vgl. Antifa in Leipzig: “Imperium Fighting Championship”: Rechte Kampfsportveranstaltung im Leipziger Süden [02.02.2019]
12 Vgl. Kleine Zeitung: Deutsche Neonazis bei Ulrichsbergtreffen [02.02.2019]
13 Vgl. Ladenschluss-Bündnis: Imperium Fight Team bei Ausschreitungen in Chemnitz dabei [02.02.2019]
14 Twitter-Posting von Benjamin Brinsa am 26.8.2018 um 09:25 Uhr
15 “We must secure the existence of our people and a future for White children. Zu Deutsch:Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für unsere weißen Kinder sichern.
16 Vgl. BelltowerNews: Wurzen: Neonazis greifen Journalisten mit Waffen an [02.02.2019]
17 Vgl. Sören Kohlhuber: Jahresrückblick 2018 [02.02.2019] ; Ergänzend siehe FB-Posting von Sören Kohlhuber vom 21.01.2018, 01:09 Uhr
18 Hintergrundrecherchen und eine Chronologie bekannter “Unsterblich”-Aktionen bis 2015, hat die recherche wien veröffentlicht:  Eine laufende Dokumentation bietet zudem das Projekt „OSTkurve statt USTkurve“

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