Heinrich Sickl – Vom Neonazi zum Vermieter des „Identitären“ Zentrums in Graz.

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Heinrich Sickl (2015)

Heinrich Sickl, geb. 1973 in Feldkirchen/Trg (Kärnten/Koroška) ist ehem. Leistungssportler und nun als selbstständiger Trainer in seinem Unternehmen „train-perfect.at“ tätig. Auch auf ein Architekturstudium kann Sickl zurückblicken. Politisch betätigt er sich als regionales Bindeglied zwischen deutschnationalen Burschenschaften, dem „Freiheitlichen Akademikerverband Steiermark“ (FAV), neurechten Thinktanks wie dem „Institut für Staatspolitik“ (IfS) – und den rechtsextremen „Identitären“: Er ist derjenige, der die Räumlichkeiten für das „identitäre“ Zentrum in der Schönaugasse in Graz vermietet. Zudem verfügt  er über eine bewegte Vergangenheit im militanten Neonazismus sowie über familiäre und geschäftliche Beziehungen zur FPÖ.

Vom militanten Neonazismus…. 

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Aktivisten der NF beim Neonaziaufmarsch in Halbe (Brandenburg) 1991.

Anfang der 90er Jahre betätigte sich Sickl in der österreichischen Neonaziszene: Er schloss sich der „Nationalistischen Front“ (NF) an und schaffte es innerhalb eines Jahres als Mitglied aufgenommen zu werden. Die NF war Ende der 80er Jahre die bedeutendste militante neonazistische Organisation in Deutschland, die sich die SS zum Vorbild genommen hatte. Die NF führte regelmäßig Wehrsportübungen durch und begann mit dem Aufbau „Nationaler Einsatzkommandos“ als bewaffnete Kampftruppen gegen „Ausländerverbrecherbanden”, „Linke” und die „Staatsgewalt”. 1992 wurde die NF schließlich verboten, existierte aber in der Illegalität weiter. Ihre Organisation war strikt hierarchisch und setzte absoluten Gehorsam voraus, so dass auch AnwärterInnen erst nach genauer Überprüfung und einer Probezeit Mitglieder werden konnten. Sickl wurde 1991 in den Unterlagen der NF als einer der wenigen ÖsterreicherInnen als reguläres Mitglied geführt – unter dem Code 02 (während z.B. AktivistInnen bloß unter 03 firmierten).[1]

Die österreichischen NF-AktivistInnen sammelten sich in der „Volkstreuen Jugendoffensive” (VJÖ) um die bekannten Neonazis Franz Radl und Andreas Thierry, die vor allem in Kärnten paramilitärische Lager abhielt. Die VJÖ vertrieb zudem das von Radl erstellte Magazin „Gäck“, das sich an Jugendliche richtete und unter ihnen Holocaustleugnung und Gewaltaufrufe gegen MigrantInnen verbreitete.[2]

Die Bestellung von Neonazi-Propaganda und die einschlägigen Aktivitäten von Heinrich Sickl führten nicht nur zu behördlichen Ermittlungen  wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung, sondern im Jahr 2000 auch zu kritischen medialen Nachfragen an seine Mutter Elisabeth Sickl – der damals frischgebackenen Bundesministerin für Soziales.[3] Die FPÖ-Politikerin Sickl grenzte sich selbst allerdings selten klar von rechtsextremen Aussagen und AkteurInnen ab: So veröffentlichte die neonazistische Zeitschrift „Die Umwelt“  im Jahr 2001 ein Foto von deren Herausgeberin Hemma Tiffner gemeinsam mit Elisabeth Sickl, aufgenommen am Rand der “Kärntner Kulturtage” des “Österreichischen Kulturwerkes”, als dessen Obmann der Altnazi und Rechtsextremist Otto Scrinzi fungierte. Dass diese rechtsextreme Veranstaltung  in Elisabeth Sickls Schloss Albeck in Sirnitz stattfinden konnte, ist dabei bezeichnend. Auch für den Neonazi-Aktivismus ihres Sohnes Heinrich fand Elisabeth Sickl relativierende Worte: Sie sei damals „sehr unglücklich mit der Entwicklung“ gewesen, „[a]ber Jugendliche machen eben viel Blödsinn, manche nehmen zum Beispiel Haschisch“. Als sie Sozialministerin wurde, habe ihr Sohn Heinrich den Absprung längst geschafft gehabt und sei „nur mehr Mitglied einer schlagenden Verbindung.“ Das sei „etwas komplett anderes.“[4]

… in die Braunzone der extremen Rechten

So wirklich „anders“ waren diese Verbindungen nun doch wieder nicht: weder die Feldkirchner pennale Burschenschaft Tiguria, die von Kameraden aus der „Gauhauptstadt Hamburg“ im digitalen „Kneipbuch“ mit einem „Heil Ostmark“ begrüßt wurde, noch die deutschnationale Grazer Burschenschaft Arminia, als deren Mitglied sich Heinrich Sickl bereits 1993 im Eröffnungskomitee für den Akademikerball Graz vorstellte.[5]

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Auszug eines Forum-Postings von Sickl (21.6.2001) zur Verstrickung der Deutschen Burschschaft (DB) in den militanten Rechtsextremismus.

Die Arminia gehört innerhalb des burschenschaftlichen Lagers dem rechtsaußen Flügel an, der sich als “Burschenschaftliche Gemeinschaft” (BG) organisiert und offen rechtsextreme und biologistisch-rassistische Standpunkte vertritt. Die von der BG geforderte strammrechte Linie der Burschenschaften verteidigte auch Sickl persönlich: Als in der Nacht zum 13.1.2001 eine Gruppe Rechtsextremer um Christoph Schulte in München einen griechischen Staatsangehörigen mit Tritten und Faustschlägen schwer verletzten, wurde Schulte Unterschlupf im Haus der Münchner Burschenschaft Danubia geboten, sodass er sich durch Flucht ins Ausland kurzzeitig der Strafverfolgung wegen versuchten Mordes entziehen konnte. In einem folgenden Richtungsstreit über die “Deutsche Burschenschaft” (DB), der auch die Danubia München angehört, fand Sickl als Repräsentant der B! Arminia Graz klare Worte: „Die DB muss sich nicht überallhin abgrenzen – Sie kann stolz sein auf ihre Grundsätze Ehre, Freiheit, Vaterland und braucht sich nicht verstecken.“ Überhaupt gehe ihm „[d]iese dauernde Abgrenzung gegen rechts […] schon auf die Nerven. Rechts ist weder gewalttätig noch rassistisch“ – eine durchaus interessante Aussage, in einer Diskussion aufgrund eines rassistischen Gewaltexzesses und versuchten Mordes von Rechtsextremen bei einer burschenschaftlichen Geburtstagsfeier. [6]

Auch in den letzten Jahren hat die Arminia Graz ihren Kurs als Rechtsauslegerin unter den Grazer Burschenschaften beibehalten. So beteiligte sich die Arminia maßgebend an einer burschenschaftlichen Demonstration und Flugblattaktion gegen „den Wahnsinn der Masseneinwanderung“, wie die Arminia formulierte, am 12.12.2015 in der Grazer Innenstadt. Eine enge Zusammenarbeit gibt es auch mit den „Identitären“, wie die Teilnahme der Arminia  an „identitären“ Aktionen, die Erwähnung der „Identitären“ als „patriotische Vereiningung“ auf ihrer Homepage sowie die Ausrichtung des „identitären“ Sommerlagers 2016 im Ferienhaus der Arminia am Packer Stausee. Dabei verbindet die Arminia und die „Identitären“ nicht nur Antimodernismus, Sexismus und Rassismus, sondern auch ihre Vorliebe für pathetisch formulierte Todessehnsucht. So heißt es im Kartell-Lied der Arminia: „So höre denn, ans Sterben / mahnt dich der schwarze Rand. / Du sollst den Tod nicht  scheuen / für’s deutsche Vaterland“[7]

Metapolitik des Grauens: Sickl als regionales Bindeglied zwischen FAV, IfS und „Identitären“ 

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Gruppenbild der Veranstalter und Referenten der FAV-Veranstaltung “Strurm auf Europa” vom 14.11.2015. (Die AULA, Dezember 2015, S.15)

Heinrich Sickl ist Neo-Obmann des „Freiheitlichen Akademikerverbands“ (FAV) Steiermark. Die vom FAV-eigenen „Aula“-Verlag in Graz herausgegebene Zeitschrift „AULA“ gilt als eine der wichtigsten Publikationen im österreichischen Rechtsextremismus. Sie veröffentlicht offen  antisemitische und aggressiv rassistische Beiträge, geschichtsrevisionistische Propaganda und NS-Nostalgie sowie Artikel, in denen gegen „Rassenmischung“, Menschenrechte und Demokratie polemisiert wird. Insbesondere die wiederholte Beschimpfung von KZ-Überlebenden als „Landplage“ sorgte 2016 für Aufsehen – u.a. nachdem die Grazer Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die „AULA“ eingestellt und damit ihr fragwürdiges bis fehlendes Geschichtsbewusstsein unter Beweis gestellt hatte. 

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Heinrich Sickl – für Sellner und Stein eine “Wucht”.

Sickl gilt als  Hauptorganisator der – von der FPÖ mitbeworbenen – FAV-Seminarserie „Sturm auf Europa“. Dabei referierten am 14.11.2015 in den Räumlichkeiten der Arminia Graz Erik Lehnert (“Sezession”, “Institut für Staatspolitik”), Felix Menzel (“Blaue Narzisse”) und Martin Sellner, das Aushängeschild der rechtsextremen  „Identitären“. (Hier der Veranstaltungsflyer zum Nachlesen.) Das zweite Seminar – mit der FPÖ-Nationalrätin Barbara Rosenkranz, dem Juristen Bernhard Lehofer und Philip Stein, dem Sellner-Kumpan von der rechtsextremen Plattform „Ein Prozent“ – fand in Kooperation mit dem „Grazer Korporationsring“ (GKR) am 30.6.2016 im Saal der Sängerschaft Gothia statt. (Hier der Veranstaltungsflyer zum Nachlesen.) Das wohl bekannteste Gemeinschaftsprojekt von GKR und FAV ist im Übrigen der Grazer Akademikerball, über dessen Hintergründe wir bereits ausführlich berichtet haben.

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Thor von Waldstein bei der IfS/FAV Herbstakademie am Grazerhaus (Tauplitz/Stmk)

Das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels aktuellste Vorhaben von Heinrich Sickl war eine mehrtägige Herbstakademie, welche er im Namen des FAV gemeinsam mit dem deutschen „Institut für Staatspolitik“ (IfS) vom 14.-16.10.2016 veranstaltete. Die geplanten Referenten waren allesamt alte bekannte aus der einschlägigen Szene: Martin Semlitsch (alias Lichtmesz), Erik Lehnert, Andreas Lichert, Günther Scholdt, Thor von Waldstein, Götz Kubitschek und natürlich Martin Sellner, der “Identitäre” aus der neonazistischen Erlebniskultur, wohl, um der Theorie auch etwas Praxisnähe zu verleihen.  (Hier das genaue Programm der IfS/FAV- Herbstakademie zum Nachlesen.) Tatsächlich scheint es jedoch zu Abweichungen gekommen zu sein: Sellner und Kubitschek  waren am Sonntag als Gastredner zum 2-jährigen Bestehen von PEGIDA Deutschland in Dresden anwesend und damit wohl kaum auf einer Alm im steirischen Salzkammergut, dem Austragungsort der IfS/FAV-Herbstakademie. Das „Grazerhaus“, in dem die Veranstaltung ausgetragen wurde, ist das Bergheim des „Akademischen Turnverein Graz“ (ATV) auf der Tauplitz.  Der ATV ist eine deutschnationale Verbindung, welche sich selbst in Tradition von  Friedlich Ludwig Jahn stellt. Der „Turnvater“ Jahn verstand Leibesübungen als Weg, die Jugend „waffenfähig“ zu machen und gilt als „Urahn des Rassismus und aggressiven Nationalismus“.

„Identitäres“ Zentrum in Graz –  mit freundlicher Unterstützung von Heinrich Sickl

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Heinrich Sickl “am Weg” zu Martin Sellner und der rechtsextremen Demonstration am 11.6.2016 in Wien

Die systematische Zusammenarbeit zwischen Heinrich Sickl und den „Identitären“ beschränkt sich keinesfalls auf seine Organisation von Seminaren mit „Identitären“ und ihren StichwortgeberInnen. Ein Twitter-Posting von Sickl deutet darauf hin, dass er sich auch an dem (erfolgreich blockierten) „identitären“ Aufmarsch im Juni in Wien persönlich beteiligte. 

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Inserat von Heinrich Sickl. Kurz darauf sind die “Identitären” eingezogen.

Wie bereits angedeutet, hat Sickl auch beim Aufbau regionaler „identitärer“ Infrastruktur seine Finger im Spiel:  Heinrich Sickl ist seit 01.05.2005 Eigentümer der Wohnung Schönaugasse 102a (Tür 2), welches er seit Februar 2016 den rechtsextremen „Identitären“ als Zentrum in der Steiermark vermietet.

Weiterlesen mit unserer Recherche zum Hackherzentrum der  rechtsextremen „Identitären“ in Graz. Zum Überblick über die Hintergründe aller Zentren der rechtsextremen Gruppe sowie deren strukturelle Verbindung zu Burschenschaften  und FPÖ-nahen Organisationen empfehlen wir den Artikel der Antifa Recherche Wien „Identitäre Infrastruktur“


[1]  Interne Datei des „Klartext“-Verlags (Verlag der NF); Verbotsverfügung gegen die NF vom 26.11.1992
[2] Antifaschistisches Autorenkollektiv (1996): Drahtzieher im braunen Netz; DÖW (1994): Handbuch des österr. Rechtsextremismus
[3]  Das Amt der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. durch Umstrukturierungen als „Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen“ (inkl. der Aufgaben des ehem. Frauenministeriums)  hatte Elisabeth Sickl ganze neun Monate inne, bevor sie es auf Wunsch der Partei wieder verlassen musste. Zuvor war die FPÖ-Politikerin u.a. Kärntner Landesräten für Umweltschutz (1994-1999) und dritte Präsidentin des Kärntner Landtages (1999-2000). Dies ist nicht die einzige, enge familiäre Beziehung zu einer FPÖ-Politikerin: Heinrich Sickls Ehefrau Andrea ist ebenfalls FPÖ-Politikerin und sitzt derzeit im Landesrechnungshof Steiermark. Zu ihrer Zeit als Leiterin der „Initative Freiheitlicher Frauen” (IFF) pflegte sie zudem eine etwas fragwürdige Geschäftsbeziehung zu ihrem Ehemann Heinrich.
[4] OTS-Aussendung 0018 vom 6. Feb. 2000, 08:01, vgl. DÖW: Neues von ganz rechts – Dezember 2001
[5]
DÖW: Neues von ganz rechts – März 2000
[6] Forum-Postings des Users „Heinrich Sickl“ zwischen 19.6.2001 und 21.6.2001
[7]  arminia-graz.at 
[8] vgl. atvgraz.at; Pelinka zit. in Furthlener (o.J.): Braune Flecken in Oberösterreich 

 

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