Ende Januar 2016 startete die Initiative “Rücktritt Werner Faymann” (R.W.F.) die österreichweite Kampage “Lichter für Österreich”. Der stille Protest in Form von Kerzen an repräsentativen Orten wie vor Amtsgebäuden in den Landeshauptstädten richtete sich gegen die Regierung sowie die “Abschaffung unseres Landes und seiner Traditionen” und gibt vor, der “Opfer des Asylwahns” zu gedenken. Der Kampagne, die sich selbst in Tradition der Montagsdemonstrationen stellte und dementsprechend langfristig ausgelegt war, ging in Graz jedoch schnell die Luft aus – so war bereits am 29. Februar kein noch so kleines Licht mehr zu sehen.
Unter “Opfer des Asylwahns” werden nach Meinung von R.W.F. gleichermaßen die Opfer islamistischen Terrors in Europa, die Betroffenen von neorassistisch konstruierter sexualisierter Gewalt und die Toten im Mittelmeer verstanden.
Zynischerweise wird für all dies eine “Refugees Welcome – Politik” verantwortlich gemacht. Daher verlangt die R.W.F. die nationale Abschottung, was zum Einen den Diskurs über sexualisierte Gewalt ethnisiert anstatt ihn als Kritik einer patriarchalen Gesellschaftsstruktur zu führen und zum Anderen genau jene Politik einfordert, die sichere Fluchtwege verunmöglicht und so den Tod von Tausenden Menschen an den EU-Außengrenzen zur Folge hat.
Zwar betont die R.W.F. ihre angebliche Unabhängigkeit von Parteien, Vereinen und politischen Organisationen, gleichzeitig sind die Verstrickungen zu bekannten Akteur_innen des steirischen Rechtsextremismus omnipräsent: So beteiligte sich R.W.F. bereits an der PDV-Demonstration am 26. September 2015 in Graz und organisierte gemeinsam mit der PDV die Kundgebung am Wiener Ballhausplatz am 21. November 2015, bei der auch der “Identitäre” Philipp Huemer einen Redebeitrag hielt. Wie die Antifaschistische Recherche Wien in einem Beitrag zeigt, war “Lichter für Österreich” in Wien bereits ein Sammelbecken des lokalen Rechtsextremismus: Neben Mitgliedern der neonazistischen Hooligans von „Unsterblich Wien“ (Mihaly Kocsis und Andreas), beteiligten sich auch der Vorsitzende der rechtsextremen „Wiedenska Inicjatywa Narodowa” , Robert Koralewski, und der Rechtsterrorist und (inzwischen ehemalige) PDV-Funktionär Gabor Söregi.
Genauso wie in Wien oder Salzburg wurde die Kampagne “Lichter für Österreich” auch in Graz maßgeblich von den “Identitären” getragen. Via Facebook schreiben die “Identitären” zwar nur von einer “Beteiligung”, jedoch trat deren steirischer Leiter Patrick Lenart z.B. bei der Aktion am 1. Februar 2016 am Grazer Hauptplatz als Versammlungsleiter auf, suchte den Kontakt zu den Behörden und koordinierte die anwesenden Aktivist_innen. “Identitäre” Aktivisten übernahmen die Dokumentation der Aktion, stellten Ordner und kümmerten sich um die Nachbereitung der Aktion, u.a. nach eigenen Angaben in Form von Anzeigen wegen Versammlungsstörung gegen antifaschistische Aktivist_innen, die dort ebenfalls ein Gedenken abhielten: Dieses galt jedoch den Toten im Mittelmeer als Opfer der Festung Europa, außerdem traten diese Demonstrant_innen gegen jede reaktionäre fundamentalistische Ideolgie und gegen sexualisierte Gewalt jeglicher Art auf. (Dieses antifaschistische Engagement sorgte im Übrigen wohl dafür, dass in der Folgewoche die Kampagne “Lichter für Österreich” nicht mehr am Hauptplatz, sondern fernab der Öffentlichkeit am Grazer Schlossberg stattfand.)
Gemeinsam mit den “Identitären”, darunter Luca Kerbel und Peter Dingsleder, die sich bei der Dachbesetzung des Grünen Hauses am 6.4.2016 in Graz beteiligten, nahmen bei der Aktion am 1. Februar auch der Grazer Emil Matthias Wunder, und Ingrid Lobnig teil. Wunder wurde bei der PDV-Pressekonferenz Ende Dezember 2015 als Parteisprecher vorgestellt,1 und Ingrid Lobnig ist aktive FPÖ-Bezirksrätin in Graz-Lend.
Sie beteiligte sich bereits bei der PEGIDA-Demonstration im März 2015 in Graz und schrieb in der Oktober-Ausgabe der FPÖ-Stadtzeitung “Der Uhrturm” (möglicherweise aus Mangel ein Einsendungen?) einen Leserinnen-Brief, in dem sie ihre Angst, dass “Österreicher bald keinen Platz mehr in unserer Heimat” hätten, artikuliert und dabei die rassistische Parole “Indianer konnten die Einwanderer nicht stoppen: Jetzt leben sie in Reservaten” aufgreift.2 Die auf den Wortlaut idente Parole ist nicht nur auf Stickern des Rechtsextremen Horst Jakob Rosenkranz zu finden (die zwar bereits 2003 produziert wurden, aber im Januar 2016 vereinzelt in Graz auffindbar waren), sondern wird auch von der neonazistischen NPD genutzt. Diese dürfte auch Inspirationsquelle für Lobnigs Lerserinnenbrief gewesen sein, da sie im Februar 2014 enstprechende Propaganda der NPD über Facebook verbreitete, inklusive Hinweis auf die Internetseite “DeutschlandEcho.org”. (Angesichts der Tatsache, dass der rechtsextreme Blog bereits 2012 gehackt wurde und sich nie mehr erholen konnte, erwies sich dieser Hinweis allerdings als nicht allzu nützlich…)
1 Bereits nach kurzer Zeit legte Emil Wunder seine Funktion als Pressesprecher nieder und distanzierte sich von der PDV.
2 Der Uhrturm 03/2015, S.23 Online abrufbar unter: www.fpoe-graz.at