PEGIDA am 28.5. in Graz: Wenn Waffenhändler, HetzerInnen und Hooligans die „kulturelle Identität“ erhalten wollen

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PEGIDA-Obmann Werner Wirth (aus Hart bei Graz) als Gastredner der neonazistischen PDV (26.9.2015, Graz)

Für den 28.5. mobilisiert PEGIDA Österreich (oder besser gesagt das, was davon noch übrig geblieben ist), zur insgesamt dritten Demonstration in Graz. Bereits bei der ersten Kundgebung im März 2015 kam es in Zusammenhang mit dem PEGIDA-Aufmarsch zu zwei strafrechtlichen Verurteilungen: eine wegen nationalsozialistischer Widerbetätigung aufgrund eines Hitlergrußes durch einen Versammlungsteilnehmer, die andere wegen Verhetzung gegen den Gastredner Michael Stürzenberger aus München, der unter Jubel des PEGIDA-Publikums Hitlers „Mein Kampf“ mit dem Koran verglich und behauptete, „jeder Moslem“ sei ein „potentieller Terrorist“. (Aufgrund des Prozesses sagte Stürzenberger auch seinen Auftritt bei der neonazistischen “Partei des Volkes” (PDV) im September 2015 in Graz ab – im Gegensatz zu Werner Wirth und einer Reihe weiterer PEGIDA-AktivistInnen.)

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Wirth und Zangl (mit “Thor Steinar”-Hose) auf der Versammlung der neonazistischen PDV am 31.1.2016 in Köflach/Stmk.

Die Reaktionen von PEGIDA Graz auf die Verurteilungen nach der Demonstration im März 2015 waren eindeutig: Solidaritätserklärungen für Stürzenberger und Leugnung des Hitlergrußes, denn Neonazis gäbe es bei PEGIDA nicht. Solch maßlose Pseudo-Naivität und Ignoranz erinnert schon an das Kindermärchen „des Kaisers neue Kleider“, wenn selbst bekannten Neonazis ihre Gesinnung abgesprochen wird, sobald diese in den Reihen von PEGIDA Schulter an Schulter mit unterschiedlichen AkteurInnen der parlamentarischen wie außerparlamentarischen extremen Rechten marschieren.

Es sind wahrscheinlich auch nur Zufälle, dass Werner Wirth, Leiter von PEGIDA Österreich, mit dem PEGIDA-Aktivisten Herbert Zangl an Versammlungen der PDV oder bei den neofaschistischen “Identitären” teilnahm – bzw. Zangl am 26.09. sowie am 31.10.2015 sogar als Ordner für die PDV tätig war.R Und dass Wirth ein Facebook-Posting des im Oktober 2015 zu 6 Jahren Haft verurteilten Neonazis Thomas Bäck alias „Rudi Rüssel“ teilt, ist sicher auch nur ein Zu- oder Einzelfall.

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Werner Wirth teilt Beitrag des Neonazis “Rudi Rüssel” alias Thomas Bäck


Der Kampf für das „Abendland“ – mit Mistgabel oder Schusswaffe?

Für die bevorstehende Demonstration am 28.5.2016 holt sich PEGIDA Österreich internationale Unterstützung für ihre Reden: der in Bayern lebende Edwin Wegenveld (alias „Ed der Holländer“ oder „Ed aus Utrecht“) und Tatjana Festerling, aktuelle PEGIDA Deutschland-Frontfrau, ehemalige Oberbürgermeister-Kandidatin in Dresden und inzwischen ausgeschiedenes AfD-Gründungsmitglied.

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Tatjana Festerling, Gastrednerin am 28.5. in Graz

Festerling weist einige Ähnlichkeiten zu Stürzenberger auf, sowohl was ihre publizistische Tätigkeit für die rechtsextreme Onlinepostille PI-NEWS betrifft, als auch was ihre Hetzreden und Interviews angeht, die zu mehreren Anzeigen führten. So bezeichnete sie Geflüchtete als „afroarabische Sexterroristen1 und befürwortete  die  Erschießung von Geflüchteten: „If they keep crossing the border and you can’t arrest them, shoot them.“2 In einem Redebeitrag am 21.12.2015 forderte Festerling bei der Verteidigung der Heimat“ auch mit Methoden vorzugehen, „die der weichgespülte, moralisierte Mainstream für nicht anständig hält. Scheiß auf diesen Anstand…“

Festerlings Gewaltaufrufe richten sich jedoch nicht nur gegen Geflüchtete und People of Color, sondern auch gegen PolitikerInnen, JournalistInnen und andere “Volksverräter”. So forderte sie, „zu Mistgabeln [zu] greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern [zu] prügeln.“3

Ebenfalls zur Ideologie von Festerling zählt ein aggressiv-heteronormativer Antifeminismus. Sie phantasierte etwa einen „Terror der schwul-lesbisch-queeren intersexuellen Minderheit“ herbei oder wetterte gegen die „verkrachten Gender-Tanten mit ihrem überzogenen Sexualscheiß4. Gemeint sind dabei sexualpädagogische Angebote, die Menschen das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper vermitteln und so vor sexualisierter Gewalt schützen – denn Missbrauch, Grenzverletzungen und Vergewaltungen sind keineswegs „importierte“ Probleme, wie rechte Propaganda es glaubhaft machen möchte, sondern Teil patriarchaler Gesellschaftsstrukturen, einschließlich der österreichischen.

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PEGIDA und Bürgerwehr-Aktivisten diskutieren über die richtige Bewaffung – zur Verteidigung des “Abendlandes”.

Nicht mit Mistgabeln, sondern mit Schusswaffen, Teleskopschlagstöcken und Co. rüsten sich die lokalen PEGIDA-Strukturen in der Steiermark für den Kampf ums Abendland aus. So empfiehlt Werner Wirth, der ebenfalls als Redner für den 28.5. angekündigt ist, dem Bürgerwehr-Aktivisten und PEGIDA-Ordner Werner Klambauer (der wiederum bereits  mehrfach zu militanter Selbstjustiz und Mord an MigranInnen aufgerufen bzw. diesen goutiert hat) sich eine Flinte zuzulegen – denn dafür brauche er keinen Waffenschein. Für den Stellungskampf durchaus geeignet, jedoch für den mobilen Stadtguerilla-Krieg etwas unhandlich, meinte dazu sinngemäß der Grazer PEGIDA- Aktivist Herbert Lang.


Hooligans gegen „Islamisierung“? – Die Verbindung zwischen PEGIDA und dem rechtsextremen Fußball-Millieu

Wer über PEGIDA schreiben will, soll über HoGeSa nicht schweigen: Ende Oktober 2014 folgten rund 5000 Rechte in Köln – darunter „Identitäre“, RockerInnen, eine Vielzahl von Fußball-Hooligans und Neonazis – dem Aufruf der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa). Bereits nach wenigen Metern eskalierte diese Demonstration: Unter Rufen „Frei, Sozial, National“, „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus!“ oder „Hier marschiert der nationale Widerstand“ wurden ein asiatischer Imbiss sowie PassantInnen angegriffen und mehrere Dutzend Menschen verletzt.5

Anwesend bei diesen Szenen war u.a. Tatjana Festerling, die anschließend schrieb, sie „ziehe ihren Hut vor den Hools“ und die erwähnten Parolen seien zwar nicht besonders kreativ, aber eingängig und „in keinster Weise rassistisch, rechtsextrem oder zur Gewalt aufrufend. Bei dieser Demonstration zeigte sich ein neues Mobilisierungspotential: In ihrem rassistisch motivierten, vermeintlichen Abwehrkampf gegen eine eingebildete „Islamisierung“ des Westens trat die extreme Rechte szeneübergreifend auf und sorgte gemeinsam für eine Pogromstimmung.  Die Neonazi-Band „Kategorie-C“ lieferte die akkustische Untermalung für einen rassistisch motivieren, rechtsextremen Gewaltexzess. Trotzdem (oder genau deswegen?) schloss Festerling ihren Artikel mit den Worten: „HoGeSa – Bitte weitermachen.“6

Wirth und Ed

Wirth und Wegenveld, beide sind als Redner für den 28.5. angkündigt

Im Umfeld von HoGeSa bewegt sich auch  Edwin Wegenveld, der durch ein Interview im Rahmen einer HoGeSa-Demonstration zu einem der Gesichter der neuen rechtsextremen Mobilisierungen werden sollte – insbesonders von PEGIDA. In Graz sprach er bereits beim ersten PEGIDA-Aufmarsch im März 2015 und ist als Sprecher für den 28.5. angekündigt. Wegensveld war nicht nur einer der ModeratorInnen des HoGeSa-Forums, sondern gilt als eines der zentralen Bindeglieder zwischen Neonazis, Hooligans und Geert Wilders.7

Für den gelernten Restaurantfachmann dürfte seine politische Aktivität  auch handfeste wirtschaftliche Vorteil bringen: Denn Wegenveld betreibt einen Onlineshop, über den er Pfeffersprays, Elektroschocker und Schlagstöcke verkauft,8 was angesichts der Gewaltbereitschaft bei den Kadern sowie bei  den SympathisantInnen von PEGIDA durchaus umsatzsteigernd wirken könnte. Ob Wirth zu Wegenvelds Kunden gehört, ist uns nicht bekannt. Passen würde es, denn Wirth prahlt auf Facebook damit, dass er stets einen „Kubotan“9 mit sich führe sowie einen Telekopschlagstock im Auto habe.WIRTH kUBOTAN

Auch in den österreichischen PEGIDA-Strukturen gibt es direkte Verbindungen in das rechte Fußball- und Hooligan/Ultra-Millieu: So unterhält der Leobner „violette Steirer“ Siegmund Arnold,  der als Anmelder und Sprecher für PEGIDA Österreich agiert hatte, Kontakte zur rechten Fan-Szene von Austria Wien, inkl. der Neonazi-Hooligan Gruppe “UNSTERBLICH”. Personen wie Markus Freisinger („Werwölfe Rapid Wien“) sowie „Günter Natter“ („Eisern Wien“) sind ebenso Teil der Strukturen von PEGIDA Österreich. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht Werner Wirth, der seine Vorliebe für Fußball vor allem virtuell auszuleben scheint: zum Beispiel als Torwart „toxitsch“ des Teams „Phantoms united“ in der Online-ProLeague von Fifa14 (am PC), der als User „toxili88“ auf der Playstation mit Fifa 15 an seine „Erfolge“ anschließen wollte…

Pegida, Feb.2016 Graz

Februar 2016 in Graz: v.l.n.r: Herbert Lang, X, “Günter Natter”, Werner Wirth, Herbert Zangl, Gernot Tegetmayer, Markus Freisinger, Siegmund Arnold

Ein ähnliches Bild zeigte sich auch bei den bisherigen Versammlungen von PEGIDA in Graz, wo Personen aus dem Umfeld der rechten GAK-Hooligan Gruppe „Rote Armee Graz (RAG)“ auffallend Präsenz zeigten, wie auch die Recherchen der Gruppe Mayday Graz belegten. Unter den Teilnehmern befanden sich teilweise  Personen, die im Internet über Fahrgemeinschaften zur beschriebenen HoGeSa-Demonstration in Köln mobilisiert hatten.

Neonazis willkommen!

ostendorf, hirschböck

Hannes Ostendorf (Sänger der Neonazi-Hooligan Band “Kategorie C“) und Andreas Hirschböck

Neben Personen mit nachweisbarem Nahverhältnis zur FPÖ und „Identitären“, waren  Neonazis stets willkommenes Klientel bei Versammlungen von PEGIDA in Graz: im Februar 2016 etwa die VAPO-Aktivistin Karin Küssel oder die Grazer Neonazis Daniel Polzhofer und Andreas Hirschböck, die bisher bei jedem PEGIDA-Aufmarsch in Graz teilgenommen hatten.

PEGIDA und PDV – in der Krise?

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Gerhard Bauer (Ex-PDV Wien) bei einer Transparent-Aktion der “Freien Heimatlichen Bewegung”

Inzwischen gibt es jedoch Anhaltspunkte für eine Spaltung und Neuorganisation der österreichischen PEGIDA-Strukturen. Eine Gruppe von (ehemaligen?) PEGIDA-Aktivisten um Arnold, Freisinger und Gerhard Bauer, dem ehemaligen Leiter der PDV Wien, scheint sich aktuell an einem neuen Projekt zu versuchen: der „Freien Heimatlichen Bewegung Österreich“.

Auch externe Kooperationen von PEGIDA Österreich laufen gerade nicht optimal: Heftige Differenzen gab es mit der  PDV, die 2015 noch von PEGIDA personell in Form von Gastrednern und Ordnern unterstützt worden war. Zugleich hatte PEGIDA versucht, das PDV-Publikum zur Kundgebung im Februar 2016 nach Graz zu mobilisieren, wo auch Teile des PDV-Kaders um Gabriele Pestl gesichtet wurden.

pegida (freisinger) distanzierung zur PDVInzwischen haben sich die beiden Gruppen jedoch massiv zerstritten und voneinander distanziert, wobei mit Diffamierungen, Verleumdungen und Ähnlichem. nicht gespart wurde. Die PDV beschimpfte PEGIDA unter anderem aufgrund des deutschen Migrationshintergrunds ihrer „Bewegung“, umgekehrt kamen in einem von Markus Freisinger formulierten Statement Vorwürfe über die seitens der PDV „gesprengten Grenzen des guten Geschmacks“ und das an den Tag gelegte „unprofessionelle Verhalten“. Unprofessionell? Stimmt. Jenseits des „Guten Geschmacks“? Sicherlich. Unterscheidet sich hierbei PDV von PEGIDA? Wohl kaum.

Die letzten Versammlungen in Wien, wo sowohl PEGIDA als auch PDV mit Mühe 50-100 Personen mobilisieren konnten, deuten auf eine ernsthafte Krise dieser beiden Organisationen hin. Einerseits spielen persönliche Zerwürfnisse und Eitelkeiten eine Rolle, andererseits erwies sich  das Programm der Gruppen als inhaltlich schwach und von jenem der parlamentarischen extremen Rechten kaum zu unterscheiden. Die FPÖ und der  Wahlkampf des deutschnationalen Burschenschafters Norbert Hofer ließen und lassen rechts von ihnen kaum noch Platz in der politischen Szenerie (wobei letzterer diesen zumindest in seinem Büro mit Rene Schimanek, einer Person aus der Neonazi-Szene um Gottfried Küssel, ganz gut selbst ausfüllte).

Wie sich nun das Ergebnis der Bundespräsidenten-Wahl auf die Mobilisierung des rassistischen PEGIDA/PDV-Publikums auswirkt, – ob es dadurch wieder neue Motivation gewinnt oder es vorzieht, seine ideologische Heimat in der FPÖ zu finden bzw. festigen – werden die nächsten Kundgebungen zeigen.

 


1  Frankfurter Allgemeine vom 19.1.2016:  Pegida-Aktivistin Festerling: Radikaler gehts nicht
3 Frankfurter Allgemeine vom 19.1.2016:  Pegida-Aktivistin Festerling: Radikaler gehts nicht
North East Antifascist [NEA] (2016): PEGIDA – Brandstifter in Nadelstreifen. S.4
6  Festerling auf Jornalistenwatch.com:  Die Wahrheit [sic!] über die HoGeSa Demo
8 Geiges, Lars et al (2015): Pegida – Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft. Bielefeld, Transcript.  S.24
9 Ein Kubotan ist ein in den 1970ern für Polizist*innen entwicklete Waffe, die als Schlag- und Druckverstärker für gezielte Angriffe auf v.a. Nervenpunkte und Gelenke dient.

Richtigstellung: In der Vergangenheit wurde, auch auf unserem Blog, Herbert Zangl fälschlicherweise als “Thomas Kalser” vorgestellt. Neben der äußeren Ähnlichkeit der beiden Personen ist diese Verwechslung auch auf Kalsers Betätigung als Ordner bei PEGIDA Kundgebungen zurückzuführen.

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